Männer, die die Welt verbrennen by Stöcker Christian

Männer, die die Welt verbrennen by Stöcker Christian

Autor:Stöcker, Christian [Stöcker, Christian]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2024-03-14T00:00:00+00:00


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Die deutschen Verzögerer und ihre Methoden

Die Wetterextreme und das Artensterben von heute sind nur die Vorboten einer so katastrophalen Entwicklung,​[​485​]​ dass sie für die meisten Menschen noch immer unvorstellbar ist – oder aktiv ausgeblendet wird. Dafür gibt es eine Reihe von psychologischen Ursachen.​[​486​]​ Ein paar Beispiele aus einer erhellenden Überblicksstudie aus dem Jahr 2014:​[​487​]​ Menschen sind leider intuitiv risikofreudiger, wenn es um mögliche Verluste geht. Wenn es eine kleinere Summe sicher zu gewinnen gibt, eine größere hingegen nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, wählen die meisten Versuchspersonen den sicheren Gewinn. Das ändert sich, wenn es um eine Wahl zwischen einem sicheren Verlust und einem nicht sicheren noch größeren Verlust geht: Dann sind die meisten bereit zu zocken – ein ungünstiges Verhalten, wenn der Einsatz der Zukunft der Menschheit ist: Lieber jetzt noch nichts tun, was womöglich Kosten verursacht, und dabei riskieren, dass die Kosten später katastrophal sind.

Selbst gebildeten Menschen fällt es offenbar schwer, die Folgen von Zu- und Abflüssen für den Gesamtbestand einer gegebenen Größe zu verstehen. Zum Beispiel die Tatsache, dass das CO₂ in der Atmosphäre auch dann noch weiter zunimmt, wenn der Zufluss nicht mehr steigt, sondern konstant gehalten wird. Es ist aber möglich, diese Fehlschlüsse zu überwinden, wenn man einfache Alltagsbeispiele wählt. Es ist beispielsweise nicht schwer zu verstehen, dass eine Badewanne überlaufen wird, wenn konstant mehr Wasser hinein- als durch den Abfluss abfließt.

Menschen sind umso weniger willens, ihr Verhalten zu ändern, je weiter die vermuteten Konsequenzen des Nichthandelns entfernt scheinen, zeitlich wie räumlich. Umgekehrt entscheiden sie sich lieber für eine kleinere, aber kurzfristig zu erwartende Belohnung als für eine, auf die sie länger warten müssen. Noch stärker wird dieser Effekt, wenn auch nur ein Hauch Unsicherheit über die zu erwartenden Folgen herrscht. Aus diesem Grund waren die Fossilbranchen und ihre Verbündeten mit der so beliebten Strategie »Zweifel säen« über viele Jahre erfolgreich – und sind es gelegentlich bis heute, auch wenn sie nicht mehr so offen agieren.

Das ist auch in Deutschland zu beobachten. Die Achse der Freunde fossiler Geschäftsmodelle reicht weit hinein in die deutsche Politik. Sie sind gelehrige Schülerinnen und Schüler von Vorbildern in den USA, dem Geburtsland der meisten Taktiken zur Klimawandel-Leugnung und zur »Skepsis«. Sie sitzen in Unternehmen, Verbänden und leider auch in vielen im Bundestag vertretenen Parteien.

Ein in mehrfacher Hinsicht symptomatisches und auch politikwirksames Beispiel ist der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Er war federführend und erfolgreich bei dem Vorstoß, das 2023 geplante Gebäudeenergiegesetz so zu entkernen, dass es für die Gasbranche erst viel später Einbußen verursacht. Er stellte sich dafür sogar gegen seine Parteiführung und blamierte sie öffentlich – nach einem Parteitag im April 2023 musste Finanzminister Christian Lindner, der FDP-Vorsitzende, eine mit den Koalitionspartnern SPD und Grüne bereits getroffene Vereinbarung wieder aufkündigen.​[​488​]​ Schäffler brachte einen Dringlichkeitsantrag ein, gemeinsam mit 30 anderen aus der FDP-Bundestagsfraktion. Am Ende stimmten die Liberalen fast einstimmig für diesen Antrag, und die FDP kündigte die im Koalitionsausschuss getroffene Vereinbarung zum sogenannten Gebäudeenergiegesetz wieder auf. Schäffler hatte das unausweichliche Ende der Gasheizung in Deutschland erfolgreich hinausgeschoben.

Sein Antrag war mit einem



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